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Die Symptome von Demenzerkrankungen und Depressionen ähneln sich und können sich so stark überschneiden, dass Ärzte und Psychologen Schwierigkeiten bei der Diagnose haben. Waldemar Kohl spricht im Interview über Ursachen und Handlungsmöglichkeiten.

„Die falsche Diagnose Demenz kann eine vorhandene Depression verstärken“

Die Symptome von Demenzerkrankungen und Depressionen ähneln sich und können sich so stark überschneiden, dass Ärzte und Psychologen Schwierigkeiten bei der Diagnose haben. Waldemar Kohl spricht im Interview über Ursachen und Handlungsmöglichkeiten.
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Wenn Menschen alt werden und verwirrt erscheinen, liegt für Angehörige oft der Schluss nahe: das muss eine Demenz wie zum Beispiel Alzheimer sein. Doch es kann sich auch um eine Depression handeln. Die Symptome sind so ähnlich und können sich so starküberschneiden, dass es sogar für Ärzte und Psychologen schwierig sein kann, die beiden Erkrankungen bei älteren Menschen zu unterscheiden. Warum das so ist und welche Möglichkeiten es gibt, die Diagnosen zu verbessern, erklärt unser Psychologe Waldemar Kohl im Interview.

I: Warum sind denn Depressionen und Demenz so schwer zu unterscheiden, und das sowohl für Angehörige, als auch für Ärzte und Psychologen?

WK: Im Frühstadium einer Alzheimer-Demenz und einer Depression gibt es zahlreiche ähnliche Symptome, wie Traurigkeit, Interessensverlust, sozialer und emotionaler Rückzug, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisschwäche.

Im Praxisalltag kommt es häufig vor, dass nicht genau nachgeschaut wird, ob eventuell eine behandelbare körperliche Ursache für die Symptome vorliegt. Den Angehörigen fehlen oft das Fachwissen und die Zeit, die einmal gestellten Diagnosen zu hinterfragen.

Welche sonstigen Ursachen können denn noch für die Beschwerden verantwortlich sein?
Neben einer Depression kann eine ganze Reihe von Krankheiten und Beschwerden hinter Alzheimer-Symptomen wie Vergesslichkeit und Verwirrtheit stecken:

·       Flüssigkeits-, Ernährungs- oder Vitaminmangel (z.B. Vitamin B 12)

·       Nebenwirkungen von Medikamenten oder Wechselwirkungen zwischen mehreren Medikamenten (Natriummangel bei Entwässerungsmitteln und Medikamenten gegen Verstopfung)

·       Schilddrüsenunterfunktion

·       Hirntumore, unerkannte kleine Schlaganfälle oder Atrophien.

Warum ist es überhaupt ein Problem, wenn eine Fehldiagnose gestellt wird?

Eine rechtzeitige und richtige Diagnose ist Voraussetzung für den Einsatz adäquater Behandlungsmethoden, was sich letztlich wiederum auf die Lebensqualität auswirkt. Denn es gibt viele Krankheiten, die die scheinbar klassischen "Alzheimer-Symptome" auslösen und es gibt ebenso viele Arzneien, die als Nebenwirkung demenzähnliche Symptome hervorrufen können. Darüber hinaussind natürlich auch die psychologischen Folgen zu beachten: die Diagnose «Demenz» wird von vielen Menschen gefürchtet und kann Stress oder gerade dann eine Depression auslösen, beziehungsweise eine vorhandene verstärken.

"In etwa 20-40% der Fälle wird eine falsche Diagnose vergeben"

Wie groß ist das Problem der Fehldiagnosen denn tatsächlich? Wie häufig passiert es also in der Praxis, dass Demenzerkrankungen und Depressionen von Ärzten verwechselt werden?

Die bisherigen Studiendaten deuten darauf hin, dass in etwa 20-40 % aller Fälle eine falsche Diagnose vergeben wird. Entweder wird Menschen mit einer tatsächlichen Alzheimer-Demenz eine falsche Diagnose attestiert. Daneben gibt es auch die Fälle, in denen die Diagnose Alzheimer-Erkrankung vergeben wird und sich im Nachhinein herausstellt, dass eine andere Ursache für die Symptomatik vorlag. 1

Was kann getan werden oder wird vielleicht schon getan, damit die Diagnosen genauer werden?

Eine gute Diagnostik muss in der Lage sein, die Ursachen für die Symptome so weit wie möglich einzugrenzen und mögliche andere Ursachen auszuschließen. Das Nachlassen der Gedächtnisleistung ist eines der prominentesten Symptome der Alzheimer-Demenz – und zu Beginn des Diagnoseprozesses sollte der Fragenachgegangen werden, ob die „Vergesslichkeit“ altersgemäß ist, ob also der Betroffene im Vergleich zu seinen Altersgenossen eine wesentlich schlechtere Leistung aufweist oder nicht.

Eine gute Diagnostik besteht aus mehreren Stufen. Zunächst gibt die Anamnese (=Arztgespräch als Grundlage der Diagnostizierung, in dem Fragen zur medizinischen Vorgeschichte gestellt werden) Aufschluss darüber, ob in der Vergangenheit eventuell gewisse körperliche oder psychische Erkrankungen vorgelegen haben, die mit der aktuellen Symptomatik zusammenhängen könnten. Das kann zum Beispiel hilfreich sein bei der Abgrenzung der Demenz von einer Depression. Anschließend gibt es verschiedene neuropsychologische Tests(Gedächtnis, Merkfähigkeit, Problemlösen, usw.), die helfen, objektiv die kognitive Leistungsfähigkeit einer Person zu beurteilen.

Und schließlich gibt es noch weitere Untersuchungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel das MRT oder das PET (Positronen-Emissions-Tomographie), die aber mit hohen Kosten und Aufwand verbunden sind und die daher nur bei hinreichend ausgeprägten Symptomen angewandt werden sollten.2

Woran kann man als Laie, beispielsweise als Angehöriger eines Erkrankten, die beiden Krankheiten unterscheiden?

Depressive Symptome treten zeitlich vor den kognitiven Verlusten auf – das ist bei Alzheimer umgekehrt. Weiters haben depressive „Pseudodemenz“-Patienten kaum zeitliche und örtliche Orientierungsstörungen. Wenn ein Mensch sich also in fremder Umgebung nicht zurechtfinden kann und sich ständig verläuft, dann stimmt etwas mit seiner örtlichen Orientierung nicht. Wenn jemand das aktuelle Datum, Monat, Jahr, Wochentag systematisch verwechselt, dann mit der zeitlichen. Depressive Patienten haben da meist keine Probleme, wissen meist wo und wann sie sind.

Allerdings ist es für medizinische Laien kaum möglich, die Krankheiten zu unterscheiden. Deshalb sollte stets ein Arzt zurate gezogen werden, nicht nur für die Diagnose, sondern auch um über weitere Therapieschritte zu entscheiden.

Woran versucht ein Psychologe oder Arzt, die Erkrankungen zu unterscheiden? Was sind Anhaltspunkte hierfür?

Für eine depressive Pseudodemenz sprechen neben der persönlichen Vorgeschichte, also eventuelle vorangegangene depressive Episoden, auch ein vergleichsweise rascher Beginn und ebenso eine rasche Verschlechterung des Zustands. Daneben sind bei diesem Krankheitsbild die Klagen detaillierter, und Versagensängste und Schuldgefühle sind stärker ausgeprägt.

Der frühdemente Patient hingegen tendiert zum Bagatellisieren der Beschwerden: er negiert seine depressiven Stimmungen eher und gibt häufig anderen die Schuld für eigenes Versagen, Fehler und Missgeschicke. Außerdem sind die depressiven Verstimmungen in diesem Fall eher labil und schwanken stärker.

"Die Behandlung sollte an den Fähigkeiten des Patienten ausgerichtet sein"

Was tun nach einer Diagnose? Wie sollte man also, wenn es sich tatsächlich nicht um eine Demenz, sondern um eine Depression handelt, bei betagten Menschen vorgehen? Muss bei älteren Menschen eine Depression anders behandelt werden als bei jüngeren Betroffenen?

Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Hilfeleistung bei der Diagnose einer Depression ist zunächst einmal die Bereitschaft des Betroffenen, Hilfe in Anspruch zu nehmen und der Wunsch, seinen Zustand zu verbessern. Es ist ratsam, sich so früh wie möglich um eine Anbindung an einen Therapeuten zu bemühen und sich nicht von eventuell längeren Wartezeiten auf einen Therapieplatzabschrecken zu lassen. Eine kombinierte Therapie aus antidepressiver Medikation und kognitiver Psychotherapie hat sich als sehr effektiv bei Patienten mit mittelgradiger bis schwerer Depression erwiesen. Die antidepressive Medikation hilft, einen stabilen Stimmungszustand und den Antrieb wiederzuerlangen. Die Verhaltenstherapie wiederum hilft, die eigenen negativen Erwartungen, Denk- und Überzeugungsmuster zu beleuchten und zu korrigieren, welche sehr häufig eine Spirale in die Depression erst in Gang setzen. Unabhängig vom Alter ist es wichtig, die Behandlung einer Depression an den Ressourcen und Fähigkeiten des Patienten auszurichten.

Das emovis Studienzentrum führt regelmäßig klinische Studien zu Krankheitsbildern wie Depressionen, damit zusammenhängenden Schlafstörungen und auch zu Gedächtnisstörungen durch. Informieren Sie sich gerne unter https://www.studien-in-berlin.de/studienuebersicht/ und lassen Sie sich von unseren Prüfärzten zu einer Studienteilnahme oder zu weiteren Behandlungsmöglichkeiten beraten.

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